Wochenausblick: Politik bestimmt das Geschehen

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Reinwand

19. Januar 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Vor dem Hintergrund eines möglichen Ausscheidens Griechenlands aus der Währungsgemeinschaft, der offenen Frage nach den Auswirkungen eines viel diskutierten „Quantitative Easing“ vonseiten der Europäischen Zentralbank sowie der kontrovers diskutierten Effekte des Preisverfalls bei Rohöl und den Industriemetallen hat der DAX in der vergangenen Woche mit 10.208 Punkten einen neuen Rekordstand erreicht. Mit 10.167 Zählern verabschiedetet sich das deutsche Aktienbarometer ins Wochenende.

Zwischenzeitlich ging es allerdings heftig hin und her. Die Kursausschläge an den Aktienmärkten haben in den letzten Wochen enorm zugenommen, wie Markus Reinwand von der Helaba bemerkt. Tagesschwankungen von gut 4 Prozent überträfen den Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre von 1,3 Prozent um das Dreifache. Anlegern falle es sichtbar schwer, die Ereignisse und Gegebenheiten einzuordnen. „Immer wenn man denkt, jetzt kann es wirklich nicht mehr unruhiger werden, wird man eines Besseren belehrt“, ergänzt die DekaBank. Im Vergleich zu den Bewegungen seit Anfang Januar erscheine der im vergangenen Jahr immer wieder aufflackernde geopolitische Stress im Rückblick geradezu harmlos.

Notenbanken geben Takt vor

Mit der anstehenden Ratssitzung der EZB am Donnerstag und dem Urnengang der Griechen am 25. Januar kommt es in dieser Woche bei zwei großen Themen möglicherweise zu einer Entscheidung. „Alles andere als die Verkündung eines QE-Programms würde von den Marktakteuren als Enttäuschung aufgenommen werden“, meint Claudia Windt von der Helaba. Summen zwischen 400 Milliarden bis zu 2 Billionen Euro für den Kauf von Staatsanleihen machten derzeit die Runde. Mit dieser Unterstützung der europäischen Konjunktur gelange in jedem Fall viel billiges Geld ins System, was zum Teil in den Aktienmarkt fließen würde.

Vorzeichen für Aktien stimmen

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Halver

Diese Aussicht auf eine wirtschaftspolitische Stabilisierung in der Eurozone über Neuverschuldung spricht nach Ansicht von Robert Halver für Aktien im Allgemeinen und deutsche Werte im Besonderen. Gegenüber Spanien und Italien hätten die konjunktur- und exportsensitiven Aktien aus Deutschland bereits wieder an relativer Stärke zugenommen. Auch werden dem Analysten der Baader Bank zufolge findige EU-Finanzdiplomaten einen Austritt Griechenlands aus der Gemeinschaftwährung zu verhindern wissen. Etwa ist aus Halvers Sicht ein verdeckter Schuldenschnitt durch eine Streckung der Rückzahlung denkbar.

Niedrige Ölpreise kein Dauerzustand

Beim Ölpreis sieht Halver eine Bodenbildung in Reichweite. Am Öl-Terminmarkt gebe es bereits erste Anzeichen einer Trendwende. Die US-Energiebehörde EIA erwarte aufgrund der niedrigen Energiepreise eine deutliche Abflachung des Wachstums der US-Ölproduktion im laufenden und kommenden Jahr. Deshalb sei ab Frühjahr wieder mit leicht steigenden Ölnotierungen zu rechnen.

Zunächst gehe der Preiskampf zwischen der OPEC und den USA allerdings in die nächste Runde. Bis Juni werde die OPEC ihre Fördermenge planmäßig weiter ausweiten und so das preisdrückende Überangebot auf dem Ölmarkt noch nähren. Der Ölpreis der Nordseesorte Brent könne Schätzungen zufolge auf kurze Sicht gar erst bei rund 40 US-Dollar seinen Boden finden. Ab dieser Preisgrenze lohne sich das Öl- und Gas-Fracking der USA nicht mehr, weshalb das Angebot herunter gefahren werde. Die Anzahl der aktiven Bohrlöcher sei bereits reduziert worden.

Volatilität bleibt hoch

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Schmidt

Aus technischer Perspektive ist der DAX nach Auffassung von Christian Schmidt derzeit äußerst schwankungsanfällig. Trotz erneuter Annäherung an das Allzeithoch am Freitag zeigten technische Indikatoren einen negativen Ausschlag. Der Directional Movement Index (DMI), mit dem sich die prozentuale Stärke eines Trends aufzeigen lässt, und Oszillatoren deuteten auf ein zunehmendes Risiko auf der Unterseite. „Wichtige Unterstützungen finden sich bei 9.927, 9.874 und 9.794 Zählern.“

Vorsicht geboten

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Kremser

Die Charttechniker der DekaBank benötigen für die Annahme eines mittelfristig positiven DAX-Kaufsignals den Beweis eines nachhaltigen technischen Ausbruchs. Rein rechnerisch lässt sich nach Auffassung von Armin Kremser und Dirk Oppermann zwar auf Basis eines neuen Allzeithochs ein weiter gehendes Anschlusspotenzial bis rund 10.635 Punkte ableiten. Kritisch sei dabei jedoch die Tatsache, dass alle wesentlichen seit über einem Jahr erfolgten Trendfolgesignale keine prozyklischen Bewegungen ausgelöst hätten. „Zumeist waren diese dann im trendlosen Markt eher der Beginn zum Teil markanter Gegenbewegungen.“

Kurzfristig gen Norden

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Geyer

Zum Wochenstart soll nach Auffassung von Christoph Geyer von der Commerzbank allerdings zunächst ein weiterer Schub nach oben möglich sein. Mit dem neuen Allzeithoch gegen Ende vergangener Woche habe sich die technische Lage beim DAX verändert. „Der MACD-Indikator hat ein Kaufsignal generiert und die Divergenz wird derzeit aufgelöst.“ Auch beim Stochastik-Indikator könne es zu einer Auflösung des Warnsignals kommen. „Das positiv erwartete Jahr 2015 nimmt seinen Lauf, zunächst noch ohne nennenswerte Korrekturbewegung.“

Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten

In den USA legen in den kommenden zwei Wochen knapp die Hälfte der S&P 500-Unternehmen ihre Zahlen für das vierte Quartal 2014 offen. Hierzulande geht es mit dem Quartalsbericht von Wincor Nixdorf zunächst noch ruhig zu.

Dienstag, 20. Januar

11.15 Uhr. Deutschland: ZEW Lagebeurteilung und Erwartungen Januar. Angesichts der dominierenden Ereignisse im politischen Umfeld liefern nach Auffassung der Commerzbank hiesige Konjunkturdaten eher die Hintergrundmusik. Dies gelte beispielsweise für den ZEW-Index. Die Einschätzung der Lage habe sich voraussichtlich von 34,8 auf 39 verbessert. Bei den Erwartungen gehen die meisten Analysten von einer Erhöhung auf 12 Punkte von zuvor 10 Punkten aus. Die HSBC gibt sich mit 15 Punkten deutlich optimistischer.

Freitag, 23. Januar

10.00 Uhr. Euroraum: PMI verarbeitendes Gewerbe und Dienstleistungen Januar. Gegenwärtig bekommt die Wirtschaft im Euroland nach Meinung der DekaBank Rückenwind aus verschiedenen Quellen. Die Euroabwertung unterstütze den Außenhandel, die Energiepreisentwicklung helfe den Unternehmen und die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank senke die Finanzierungskosten für Unternehmen. Gleichzeitig rückten geopolitische Themen in den Hintergrund. Dieses positive Umfeld dürfte sich auch in einer Verbesserung der Einkaufsmanagerindizes im Januar wiederfinden.

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Von Iris Merker, Deutsche Börse AG

© 19. Januar 2015