Rohstoffe: Fallengelassen wie eine heiße Kartoffel

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17. April 2013. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Trotz zwischenzeitlich kleiner Gegenbewegung haben die Gold- und Silberpreise seit vergangenem Freitag erheblich Federn lassen müssen. “Mit dem ganzen Geld, das in Gold-ETFs steckt, kam der Stein ins Rollen“, meint Ole Hansen von der Saxo Bank. Im vergangenen Monat hätten sich Anleger kontinuierlich von ihren Goldinvestitionen getrennt, obwohl Eurokrise, Wirtschaftsdaten aus den USA und China sowie ein massives Anleihen-Kaufprogramm der Bank of Japan eigentlich hätten unterstützend wirken müssen.

Anleger reagierten zudem auf den Verkauf der zyprischenGoldreserven. Diesen allein könne der Markt zwar abfedern, wenn das Beispiel in weiteren Euro-Krisenländern indes Schule mache, befänden sich plötzlich ganz andere Goldmengen im Markt. „Die Dauer-Rallye mag fürs erste vorbei sein, aber für einen Abgesang auf Gold ist es noch zu früh“, urteilt Hansen.

Übers Ziel hinaus geschossen

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Weinberg

In Anbetracht der ultralockeren Geldpolitik vieler Zentralbanken ist dieser Preisverfall  auch aus Sicht von Eugen Weinberg fundamental nicht mehr nachvollziehbar. Mittel- bis langfristig prognostiziert der Rohstoffanalyst der Commerzbank weiterhin höhere Goldpreise.

Ein ähnliches Bild zeichnet Weinberg für Silber, dessen Kurs überproportional den Abwärtsbewegungen des Goldpreises folge. Silber hat am vergangenen Freitag rund 6 Prozent verloren und zum Wochenbeginn abermals 9 Prozent. Mit 23,30 US-Dollar pro Feinunze liege der Silberpreis auf dem tiefsten Stand seit Oktober 2010.

Weiterhin unterstützt

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Shah

Spekulative Investoren macht auch Nitesh Shah als Auslöser für den Absturz beim Goldpreis verantwortlich. Das Durchbrechen wichtiger charttechnischer Punkte habe die Abwärtsspirale noch verstärkt. Dennoch bleiben die langfristigen Fundamentaldaten für Goldnach Auffassung des Rohstoffanalysten von ETF Securities stark. „So ist das Wachstum des Angebotes nach wie vor begrenzt.“ Zudem hätten sich viele Zentralbanken der Schwellenländer seit 2010 zu großen Nettokäufern von Gold entwickelt. „China macht heute nahezu ein Fünftel der weltweiten jährlichen Nachfrage nach physischem Gold aus.“

Einer viel diskutierten möglichen Goldblase widerspricht Shah. „Vergleicht man die Wertentwicklung von Gold in den vergangenen zehn Jahren mit historischen Überhitzungen in anderen Anlageklassen, sind die Kursgewinne in Gold bislang vergleichsweise moderat.“

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Geyer

Die Aussichten haben sich verschlechtert

„Ein Absturz in dieser Intensität wurde von kaum jemandem erwartet“, beschreibt Christoph Geyer die Verkaufswelle. „Sollte es sich tatsächlich um überwiegend spekulative Positionen handeln, die nun aus dem Markt gedrängt wurden, dürfte bald eine Gegenbewegung einsetzen“, urteilt der technische Analyst der Commerzbank.

Dennoch haben sich die Perspektiven mit dem Unterschreiten wichtiger Unterstützungen laut Florian Richardt von Heraeus deutlich verschlechtert. „Gold ist offiziell in eine „Bärenphase“ eingedrungen.“ Gegenüber dem Allzeithoch um die Marke von 1.920 US-Dollar pro Feinunze vom September 2011 stünde derzeit ein Minus von rund 23 Prozent. Dies entspreche einem Verlust von über 20 Prozent und gelte im Markt als Stimmungsumschwung.

 

Nahe am Allzeithoch in Japan

In starkem Kontrast zu den Preisen in US-Dollar und Euro stehen die Goldwerte im Japanischen Yen, wie Richardt bemerkt. Die massiv geschwächte Währung habe Gold binnen einer Woche um 10 Prozent auf den höchsten Wert in 33 Jahren steigen lassen. „Viele Japaner haben daraufhin schlummerndes Altgold versilbert.“

Basismetalle mit Erholungschancen

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Hepperle

Auf das Konto stimmungsgetriebener Verkäufe verbucht Bastian Hepperle auch einen Großteil der Preisstürze industriell genutzter Metalle. „Mit fundamentalen Faktoren sind die teils mehrmonatigen Tiefs nur bedingt zu erklären“, bemerkt der Rohstoffexperte der DekaBank. Hepperle geht bei derzeit „sehr tiefen“ Preisen von einer Unterbewertung aus und erwartet für die kommenden Monate wieder höhere Notierungen für viele Rohstoffe. Einer staatsschuldenbedingt schleppenden wirtschaftlichen Erholung in den Industrieländern stünde eine höhere Aufwärtsdynamik in den Schwellenländern gegenüber. „Davon dürften vor allem konjunkturabhängige Energierohstoffe und Industriemetalle profitieren.“

© 17. April 2013/Iris Merker