Peeters: "Stehlen Bonds den Aktien die Show?"

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Peeters

18. Oktober 2012. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Wiederbelebt ist der deutsche IPO-Markt durchaus, nachdem der Versicherungsriese Talanx nach einigem Hin und Her den Weg an die Börse gefunden hat und mit dem Mobilfunkkonzern O2 der nächste gewichtige Aspirant in den Startlöchern steht. Von einer Euphorie wiederum sind wir ganz sicher weit entfernt. Insgesamt verharrt die Anzahl der Unternehmen, welche neu auf den Kurszettel kommen, auf einem niedrigen Niveau. Weiterhin ist der Weg für diejenigen Firmen, die das IPO wagen, durchaus steinig, wie zurzeit auch der Beleuchtungsspezialist Hess feststellt. Die süddeutsche Firma hat sowohl die Preisspanne gesenkt als auch die Zeichnungsfrist verlängert.

Deutlich dynamischer stellt sich das Geschäft auf der Bondseite dar. Corporate Bonds laufen weltweit gut, hierzulande erlebt der Markt besonders bei mittelständischen Unternehmen einen fast schon kleinen Hype. Neuemissionen sind teilweise binnen kurzer Zeit mehrfach überzeichnet und der Strom der Firmen, die neu an den Markt streben, scheint nicht abzuebben.

Woran liegt es? Dass sich insgesamt bereitere Anlegerschichten für Corporate Bonds interessieren denn für Aktien, wäre eine neue Erkenntnis. Ob das Risiko bei in der Praxis Anleihen kleiner als bei Aktien ist, ist zumindest fraglich. Auf dem Papier ist es jeweils der Totalverlust. Die Chancen im Umkehrschluss sind bei Aktien zumindest gemessen am Maximalpotenzial eindeutig größer. Dennoch ist auffällig, wie sehr Investoren Bonds präferieren, vor allem wenn es um neue und unbekannte Werte geht.

Doch dürfte diese Disparität nicht von Dauer sein. Am Ende des Tages entscheidet über die Performance beider Investmentvehikel das operative Geschäft der jeweiligen Gesellschaft. Fährt dieses vor die Wand, stecken die Geldgeber auf der Bondseite in einem ähnlichen Schlamassel wie die Aktionäre. Natürlich ist es so, dass die Instrumente dem Anleger durchaus verschiedene Returns aufbieten und sich unterschiedlich im Wert entwickeln, aber vor der Investitionsentscheidung steht auf Anlegerseite die eingängige Beschäftigung mit dem Geschäftsmodell und der Bilanz desselben Unternehmens.

Somit wäre es langfristig interessant, dass auch bei vielen mittelgroßen Unternehmen die gleiche Situation eintritt, wie sie auch bei Großkonzernen wie Deutsche Telekom, Daimler, BASF oder vielen anderen vorliegt: Es gibt von derselben Firma Aktien und Anleihen. Der Investor kennt die Unternehmensgruppe und hat mehrere zwei Investmentvehikel zur Auswahl. Ähnliches trat ja auch beim boomenden Markt der Mittelstandsanleihen auf, als bereits börsennotierte Aktiengesellschaften wie Dürr, KTG Agrar, Singulus oder Berentzen zusätzlich Mittelstandsbonds begeben haben.  

Der nächste Schritt – und dass dieser über kurz oder lang eintritt, ist sehr wahrscheinlich – wären nachgelagerte IPO´s von bislang nicht auf der Aktienseite gelisteten Emittenten von Mittelstandsanleihen. Im Gegensatz zu völlig neuen Börsenaspiranten haben diese Firmen ja durchaus schon (erfolgreich) für Investitionen auf dem Kapitalmarkt geworben. Ein IPO wäre hier kein Selbstläufer, aber eine logische Fortschreibung.

Sollte dies in nennenswerten Umfang geschehen, würde es also keineswegs so sein, dass der boomenden Markt der „IBOs“ (Initial Bond Offerings) die IPOs verdrängt. Ganz im Gegenteil, der Rentenmarkt könnte so zum  Steigbügelhalter des gestrauchelten Aktiensektors werden. Sie würden also nicht die Show stehlen, sondern zum Gelingen beitragen.

© 18. Oktober 2012/Roger Peeters

*Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Close Brothers Seydler Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der ‚Platow Börse‘ und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm ‚Finde die richtige Aktie – ein Profi zeigt seine Methoden‘ im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

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