Marktstimmung: Griechenlandkrise entzweit Anleger

Zusammenfassung

Obgleich die Griechenland-Krise noch längst nicht als gelöst bezeichnet werden kann und auch die Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und den pro-russischen Separatisten weiter anhält, kam es bei den Teilnehmern unserer wöchentlichen Befragung zu einem deutlichen Stimmungswechsel. Dies gilt zumindest für die institutionellen Marktteilnehmer, bei denen das Bärenlager seine seit drei Wochen dauernde Vorherrschaft verloren hat. Während sich die Zahl der Skeptiker per Saldo um zehn Prozentpunkte verringert hat, vergrößerte sich die Gruppe der Optimisten um acht Prozent aller Befragten. Ganz anders verhielten sich die Privatanleger, bei denen die Pessimisten in der Überzahl blieben. Große Verschiebungen ergaben sich dabei nicht.

  • Profis: +9 Punkte ( -9 Punkt)
  • Private: – 5 Punkte (-4 Punkte)

goldberg+joachim+120x125.jpg
Goldberg

11. Februar 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Auch während des gesamten Zeitraums seit unserer vergangenen Stimmungserhebung hat die Griechenland-Krise die Diskussionen an den Finanzmärkten beherrscht. Dabei scheinen sich die Akteure mehr und mehr auf langwierige Verhandlungen einzurichten. Und als gestern gar (später dementierte) Berichte über eine Brückenfinanzierung zwischen der Europäischen Union und der neuen Linksregierung in Griechenland die Runde machten, um mehr Zeit für weitere Verhandlungen zu gewinnen, werteten viele Börsianer dies als positives Zeichen. Am heutigen Mittwoch nun werden die Finanzminister der Eurozone in Brüssel zusammenkommen, um an einer Lösung im Schuldenstreit mit Griechenland zu arbeiten. Unter den Teilnehmern unserer Befragung hat dies zu unterschiedlichen Sichtweisen geführt.

So hat zumindest bei den institutionellen Anlegern ein Umdenken stattgefunden. Während nämlich während der meisten Zeit dieses Jahres eine Mehrheit mit bearishen Positionen gegen einen starken Aufwärtstrend des DAX gehalten hat, hat sich die Stimmung nunmehr gedreht. Mit anderen Worten: Die von uns in der Vorwoche angedeuteten möglichen Kapitulationskäufe haben mittlerweile zu einem guten Teil stattgefunden. Denn immerhin rund zehn Prozent aller Befragten haben sich dafür entschieden, dass wohl von der Griechenland-Krise keine gravierenden Gefahren ausgehen dürften. Die meisten von ihnen (per Saldo 80 Prozent dieser Gruppe) haben nicht nur ihre skeptische Positionierung aufgegeben, sondern ihre Meinung um 180 Grad gedreht, so dass der Börse Frankfurt Sentiment-Index von -9 auf einen Wert von +9 umgeschlagen ist. Daran hat auch die Tatsache nichts geändert, dass sich in Minsk heute die Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine treffen, um einen Ausweg aus dem Konflikt zwischen Kiew und den pro-russischen Separatisten zu finden. Auch die jüngsten, eher falkenhaften Kommentare von Mitgliedern der US-Notenbank, die, als Reaktion auf den von vielen Analysten erheblich besser als erwarteten US-Arbeitsmarktbericht, eher eine erste Zinserhöhung zur Jahresmitte als zu einem späteren Zeitpunkt nahe legen, haben viele mittelfristig orientierte institutionelle Marktteilnehmer nicht mehr von ihren Aktienkäufen zurückhalten können.

Privatanleger bleiben skeptisch

Die Privatanleger scheinen indes weiterhin die Gefahr von Rückschlägen am deutschen Aktienmarkt ins Kalkül zu ziehen – für sie sind die Risiken, die sich vor allen Dingen aus der Griechenland-Krise ergeben könnten, längst nicht abgehakt. Im Gegensatz zu ihren institutionellen Pendants blieb die Mehrheit bei ihrer bearishen Meinung. Und weil es im Bullenlager auch noch zu kleineren Gewinnmitnahmen gekommen ist, hat sich der Börse Frankfurt Sentiment-Index marginal auf -5 (Vorwoche -4) abgeschwächt. Dies ist insofern erstaunlich, weil die Privatanleger sich in der jüngeren Vergangenheit in ähnlichen Situationen weitaus mutiger gezeigt hatten.

Mit der heutigen Stimmungserhebung hat sich also wieder bei der Wahrnehmung eine beträchtliche Kluft zwischen institutionellen und privaten Investoren aufgetan. Dabei dürfte für den Optimismus der ersten Gruppe wahrscheinlich weniger die Gewöhnung an die derzeit vorherrschenden Krisenszenarien eine Rolle gespielt haben als der Kurs-Rücksetzer des DAX während des Berichtszeitraums auf rund 10.600 Zähler. Obgleich diese Reaktion vergleichsweise bescheiden ausfiel, gab sie doch dem einen oder anderen Investor die Gelegenheit, ohne großen Gesichtsverlust nach einer langen Zeit des tatenlosen Zusehens (und den damit verbundenen entgangenen Gewinnen) endlich in den Aufwärtstrend einzusteigen. Obgleich der Optimismus damit den bislang höchsten Stand dieses Jahres erreicht hat, kann man dennoch nicht von einer euphorischen Lage sprechen, zumal ein Sentiment-Index von +9 auf einen längeren Zeitraum bezogen immer noch relativ neutral aussieht. Damit bleibt der DAX in positivem Fahrwasser, wird aber nunmehr auf einen Teil der heimischen Nachfrage verzichten müssen, die durch mögliches Kaufinteresse anderer, langfristig orientierter Investoren ausgeglichen werden müsste.

  • 11.15 Uhr auf n-tv
  • 14.10 / 18.05 Uhr auf DAF

von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
© 11. Februar 2015

[1] Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positiven in negative Werte markiert die neutrale Linie. Die Werte des früheren Cognitrend Bull/Bear-Index sind auf die neue Skalierung umgerechnet worden.

Börse Frankfurt Sentiment-Index
dax+sentiment+20150211+544+148.png
Blaue Balken: institutionelle Investoren, gelbe Balken: private Investoren

Institutionelle Anleger

 
 Bullish
Bearish
  Neutral
 Total  43%  34%  23%
ggü. letzter Erhebung  +8%  -10%  +2%

 

 

  • DAX (11. Februar): 10.750 (-1,10%)
  • Börse Frankfurt Sentiment-Index Institutionelle Anleger: +9 Punkte ( -9 Punkte)

Private Anleger

   Bullish
Bearish
 Neutral
 Total  36%  41%  23%
ggü. letzter Erhebung  -1%  +0%  +1%

 

 

  • DAX (4. Februar): 10.750 (-1,10%)
  • Börse Frankfurt Sentiment-Index private Anleger: -5 Punkte (-4 Punkte)