Marktstimmung: "Freudensprünge und Sorglosigkeit"

Zusammenfassung

610 Punkte hat der DAX auf Wochensicht noch mal zugelegt, jedoch nicht auf Betreiben der hiesigen, mittelfristig agierenden Anleger. 2 Prozent der institutionellen sowie privaten Anleger haben Aktien verkauft, 2 bzw. 3 Prozent sind short gegangen. Der Sentiment-Index steht mit +37 Punkten (Profis) und +38 Punkten (Private) immer noch deutlich im bullishen Terrain.
 
Joachim Goldberg sieht in den Kursgewinnen eine Art „Kaufpanik“, vermutet allerdings vor allem ausländisches Kapital dahinter. Dass vergleichsweise wenige Anleger Gewinne mitgenommen haben, hält der verhaltensorientierte Analyst für einen Nebeneffekt der Windfall-Profits der vergangenen Wochen. Denn wenn es für viele unterwartete Gewinne regne, dann steige die Risikobereitschaft.
 
Den weiterhin hohen Optimismus hält Goldberg für problematisch, da sich eine gewisse Sorglosigkeit breitmache. „Gepaart mit einer erhöhten Risikobereitschaft und dem verstärkten Glauben an eine fortgesetzte Jahresendrallye sind zumindest aus verhaltensorientierter Sicht Bedenken anzumelden.“
 

  • Profis: +37 Punkte (Vorwoche: +41)
  • Private: +38 Punkte (Vorwoche: +43)
  • DAX:  +610 Punkte

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Goldberg

28. Oktober 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Erneut hat sich gezeigt, dass Mario Draghi die Teilnehmer an den Finanzmärkten ein ums andere Mal überraschen kann. Denn die Ankündigung des EZB-Präsidenten, die quantitativen Lockerungsmaßnahmen möglicherweise auszuweiten, hätte für sich betrachtet nicht für Euphorie sorgen müssen. Aber die Perspektive, dass der ohnehin schon negative Einlagenzins von -0,2 Prozent noch weiter gesenkt werden könnte, hat Börsianer nicht nur hierzulande in Verzückung geraten lassen. Und so muss der großen Mehrheit der von uns wöchentlich befragten mittelfristig orientierten Akteure die fünfte Börsenwoche hintereinander ohne negatives Vorzeichen wie ein Geschenk des Himmels vorgekommen sein – vor allem der jüngste Kurssprung von 6 Prozent im Punktvergleich dürfte sie erfreut haben.

Wenn es für viele wahrscheinlich unerwartet einen solchen Gewinn regnet, spricht man von einem Windfall-Profit. Dies mag einer der Gründe gewesen sein, weshalb nur ein kleiner Teil der bislang überwiegend optimistisch gestimmten institutionellen Anleger tatsächlich an Gewinnmitnahmen gedacht hat. Denn normalerweise tendieren Menschen dazu, Partys am (vermeintlichen) Höhepunkt zu verlassen und Gewinne eher zu früh zu realisieren, statt allzu lange abzuwarten. Aber nach Erkenntnissen der Behavioral Finance tendieren Anleger bei eben jenen Windfall-Gewinnen zur Risikofreude. Dies zeigt sich auch am Börse Frankfurt Sentiment-Index, der gegenüber der Vorwoche gerade einmal vier Punkte verloren hat und nun bei +37 Punkten liegt.

Damit stellt sich die Frage, wie es möglich war, dass der DAX trotz des bereits bestehenden hohen heimischen Optimismus noch einmal einen Kurssprung hinlegen konnte, der von seiner Größenordnung her sogar den Eindruck einer Kaufpanik hinterließ. Wir vermuten stark, dass langfristige Nachfrage, vornehmlich getrieben aus dem Ausland, zu diesem außergewöhnlichen Aufwärtsimpuls des DAX beigetragen hat. Zumal die Kommunikationspolitik der EZB im Gegensatz zu derjenigen der US-Notenbank derzeit erheblich klarer erscheint. Auch wenn von der heute endenden Sitzung des dortigen Offenmarktausschusses kein Gegenwind für die Aktienmärkte zu erwarten ist, bleibt immer noch ein Fragezeichen im Hinterkopf, ob die Fed nicht doch noch in diesem Jahr eine Zinserhöhung vornehmen wird.

Windfall-Gewinne machen risikofreudig

Auch bei den Privatanlegern ist es folglich nicht zu größeren Gewinnmitnahmen gekommen. Der Börse Frankfurt Sentiment-Index ist gerade einmal von +43 auf +38 Punkte gefallen, weil eine kleine Gruppe von Anlegern auf eine Korrektur des DAX setzt.

Damit bleibt der Optimismus sowohl bei den institutionellen als auch bei den Privatanlegern immer noch auf einem hohen Niveau, was in Kombination mit dem in den vergangenen Wochen wiedererstarkten Aktienkursen nicht ganz unproblematisch ist. Denn von den heimischen Anlegern unserer Panels wäre selbst bei stärkeren DAX-Korrekturen nur stützende Nachfrage zu erwarten, falls deren Aktienengagements (wofür die fehlende Bereitschaft zu Gewinnmitnahmen ein gewisses Indiz darstellen würde) noch nicht hoch genug sein sollten. Einem derartigen Szenario räumen wir allerdings nur eine geringe Wahrscheinlichkeit ein. Vielmehr befürchten wir, dass sich unter den Börsianern angesichts einer als stark wahrgenommenen EZB-Politik und der oben genannten Windfall-Gewinne eine gewisse Sorglosigkeit breitmacht. Gepaart mit einer erhöhten Risikobereitschaft und dem verstärkten Glauben an eine fortgesetzte Jahresendrallye sind zumindest aus verhaltensorientierter Sicht Bedenken anzumelden.

  • 11.15 Uhr auf n-tv
  • 14.10 / 18.05 Uhr auf DAF

von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

© 28. Oktober 2015.

[1] Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positiven in negative Werte markiert die neutrale Linie. Die Werte des früheren Cognitrend Bull/Bear-Index sind auf die neue Skalierung umgerechnet worden.

Börse Frankfurt Sentiment-Index
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Blaue Balken: institutionelle Investoren, gelbe Balken: private Investoren

Institutionelle Anleger

 

   Bullish Bearish  Neutral
Total  61%  24%  15%
ggü. letzter Erhebung  -2%  +2%  unverändert

 

    • DAX (Veränderung im Vergleich zu 21.Oktober): 10.750 (+610 Punkte ggü. letztem Sentiment)
    • Börse Frankfurt Sentiment-Index institutionelle Anleger: +37 Punkte  (letzte Erhebung: +41 Punkte)
DAX-Entwicklung im betrachteten Zeitraum
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Private Anleger

 

   Bullish Bearish  Neutral
Total  60%  22%  1%
ggü. letzter Erhebung  -2%  +3%  -1%

 

  • DAX (Veränderung im Vergleich zu 21. Oktober): 10.750 (+610 Punkte ggü. letztem Sentiment)
  • Börse Frankfurt Sentiment-Index private Anleger: +38 Punkte (letzte Erhebung: +41 Punkte)