Auslandsaktien: Ölbranche unter Zugzwang

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9. April 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Es ist eine Mega-Fusion, die am gestrigen Mittwoch bekannt gegeben wurde: Der britisch-niederländische Energieriese Royal Dutch Shell will den britischen Gasförderer BG Group kaufen – für umgerechnet 64 Milliarden Euro in bar und in Aktien. Stimmen die Kartellbehörden zu, würden sich der größte und der drittgrößte Gasproduzent Großbritanniens zusammenschließen. Für Royal Dutch Shell wäre das der größte Zukauf seit der Fusion von Royal Dutch und Shell im Jahr 2005.

Nicht nur die Aktien der BG Group (WKN 931283) machten einen großen Satz nach oben, die Ankündigung trieb die Kurse fast der gesamten Branche an. Zwischenzeitlich kletterte der Branchenindex Stoxx Europe 600 Oil & Gas um fast sechs Prozent auf den höchsten Stand seit Oktober 2014. „Es werden weitere Übernahmen erwartet“, meint Jan Vrbsky von der Baader Bank.

„Es ist ja kein Geheimnis, dass Konzerne wie Exxon Mobil nach möglichen Zielen Ausschau halten.“

Royal Dutch Shell: Anleger nicht überzeugt

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Nicht so gut an kommen die Übernahmepläne bei Royal Dutch Shell-Aktionären, die Aktie (WKN A0D94M) gab leicht nach. „Von Euphorie kann nicht die Rede sein“, kommentiert Walter Vorhauser von Oddo Seydler. „Die ganze Branche ist durch den Ölpreisverfall unter Druck und versucht sich neu aufzustellen.“ Ob das gelinge, bleibe abzuwarten. „Der Ölpreis hat sich zwar zuletzt etwas gefangen, das hängt aber mit dem Konflikt im Jemen zusammen.“ Die Royal Dutch Shell-Aktie hat durch den Ölpreisrückgang heftig gelitten, ist an der Börse Frankfurt in den vergangenen Monaten allerdings wieder im Aufwärtstrend, bedingt durch das im Vergleich zum Euro starke britische Pfund.

Kurzfristig Gewinner, längerfristig Verlierer

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Neben der BG Group reagierten auch Konzerne wie OMW (WKN 874341) und ENI (WKN 897791) mit Kursgewinnen. Zu den ganz Großen der Branche gehört der französische Mineralölkonzern Total. Die Aktie (WKN 850727) hat in der zweiten Jahreshälfte 2014 rund ein Viertel an Wert verloren, sich zuletzt aber ebenfalls erholt. „Total reagiert mit einer Verkleinerung des Nigeria-Geschäfts – auch wegen der schwierigen Lage in dem Land“, berichtet Vorhauser. Mittlerweile hätten die Franzosen drei Förderlizenzen in Nigeria abgegeben.

Handlungsdruck auch bei Exxon

Auch Branchenprimus Exxon Mobil konnte sich dem Trend nicht entziehen, der Kurs hat in US-Dollar seit Sommer 2014 deutlich nachgegeben, dasselbe gilt für Chevron. An der Börse Frankfurt kommen Exxon-Aktionäre (WKN 852549) in Euro aber sogar noch auf Gewinne, Chevron-Aktionäre (WKN 852552) haben ihren Einsatz zumindest halten können – wegen des starken US-Dollars. „Das zeigt wieder einmal, dass sich auch der Kauf von schwachen US-Aktien lohnen kann“, meint Vrbsky.

Sonderfall CNOOC

Am chinesischen Mineralölkonzern CNOOC (WKN A0B846) hatten Aktionäre im zweiten Halbjahr 2014 keine Freude, der Kurs sank von über 1,54 Euro Anfang September auf zwischenzeitlich unter 1 Euro Mitte Dezember. Seitdem geht es aber nach oben, zuletzt sogar steil, aktuell kostet die Aktie wieder 1,42 Euro. „Die CNOOC-Zahlen für 2014 sind erfreulich ausgefallen“, meldet Vorhauser. Der Umsatz sei zwar um 3,9 Prozent zurückgegangen, der Gewinn aber um 6,6 Prozent gestiegen. „Die massiven Kosteneinsparungen machen sich bemerkbar.“ Zuletzt habe zudem der allgemeine Aufwärtstrend an den chinesischen Börsen für Unterstützung gesorgt: „CNOOC wird auch von der Hausse in China getragen.“

Risiken und Nebenwirkungen

Chancen durch die Übernahmewelle auf der einen Seite, Risiken durch die ungewisse Ölpreisentwicklung auf der anderen – eine sichere Bank sind Aktien aus der Öl- und Gasbranche nach Ansicht der meisten Analysten und Händler derzeit definitiv nicht. „Kaum ein anderer Sektor muss mit einem solchen Preisverfall und Kostendruck zurechtkommen“, urteilt Vrbsky. Vorhauser erwartet für den Sommer sogar noch neue Tiefs beim Ölpreis und damit neuen Druck auf die Ölgesellschaften. „Erst dann kommt die richtige Rechnung in Form der Unternehmenszahlen für die Zeit niedriger Ölpreise.“

Die französische Bank Société Générale sieht den Sektor von Übernahmespekulationen angetrieben, Unternehmen mit den qualitativ besten Vermögenswerten könnten in den Fokus rücken. Als Beispiel nennen die Analysten Konzerne, die stark in Norwegen, Kurdistan sowie West- und Ostafrika tätig seien. Allerdings mahnen auch sie zur Vorsicht, auch unabhängig vom Ölpreis: Der Enthusiasmus über eine mögliche Konsolidierung sei schon oft nicht den Erwartungen gerecht geworden.

Von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse AG

© 9. April 2015