Anleihen: Zinswende erneut verschoben

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18. September 2015. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Es gibt immer noch keine Zinserhöhung in den USA, der Leitzins bleibt auf Rekordtief – das ist das Ergebnis der mit enormer Spannung erwarteten US-Notenbanksitzung am gestrigen Donnerstag. „Begründet wurde die Entscheidung einerseits durch die Sorgen um die globale Konjunktur und andererseits währungstechnisch mit dem starken US-Dollar“, erläutert Sabine Tillmann von der Hellwig Wertpapierhandelsbank. Das Datum für die Leitzinswende bleibe weiter offen. „Noch sieht die Mehrheit der Fed-Mitglieder den Zeitpunkt in diesem Jahr.“ Laut Arthur Brunner von der ICF Bank wurde Fed-Chefin Yellen ihrem Ruf als Taube gerecht. „Jetzt geht das Warten weiter.“

Vor der US-Notenbanksitzung hatten sich Anleger zurückgehalten. „Die Umsätze waren niedrig“, bemerkt Brunner. Nach der Entscheidung gab es überwiegend Verluste an den Aktienmärkten, etwa in New York, Tokio und auch hierzulande. Begründet wird dies mit Verunsicherung der Anleger über den weiteren Kurs der US-amerikanischen Geldpolitik – eigentlich profitieren Aktienmärkte von einer lockeren Geldpolitik. Der Euro gewann unterdessen an Wert.

Anleihen im Plus

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Brunner

„Die Renditen von US-Treasuries sanken nach der Entscheidung, insgesamt legten die internationalen Rentenmärkte kursmäßig deutlich zu“, schildert Tillmann die Lage an den Bondmärkten. Auch deutsche Anleihen reagieren mit Gewinnen, am Freitagmittag steht der Euro-Bund-Future bei 154,95 Punkten. Vor einer Woche waren es allerdings noch 155,15 Punkte; am Dienstag war es aufgrund von Gewinnmitnahmen vor der US-Notenbanksitzung zu einem deutlichen Kursrutsch gekommen. Zehnjährige Bundesanleihen werfen aktuell 0,70 Prozent ab nach 0,65 Prozent am vergangenen Freitag. „Gewinner sind europäische Peripherieländer wie Spanien, Italien und Portugal, denen kommt die anhaltende Niedrigzinsphase zugute“, erklärt Brunner.

Griechenland wird ignoriert

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Stopp

Kein großes Thema mehr ist Griechenland, dabei steht dort am Sonntag die Parlamentswahl an. Offenbar wird davon ausgegangen, dass – egal ob die Linkspartei Syriza oder die Konservativen der Nea Dimokratia gewinnen – das Land weitere Reformen umsetzen wird. „Investoren denken sich, dass es schlimmer als mit Syriza nicht werden kann“, kommentiert Brunner.

Griechische Anleihen präsentieren sich weiter angeschlagen, notieren aber über den Tiefstständen vom April und Juni (WKN A1ZGWQ, A1G1UN). „Anleger agieren weiterhin vorsichtig“, bemerkt Klaus Stopp von der Baader Bank. Dies sei auch in der schlechten Bonität des Landes begründet. „Erst in der vergangenen Woche hatte die Ratingagentur Standard & Poor’s Griechenland mit der Note CCC+ eine sehr niedrige Kreditwürdigkeit bescheinigt.“ Die Bewertung liege damit weiter tief im „Ramschbereich“.

Versorger im Sog nach unten

Nicht nur Versorgeraktien verlieren immer mehr an Wert, auch Anleihen geraten zunehmend unter Druck, bei der Walter Ludwig Wertpapierhandelsgesellschaft sind es etwa Papiere von RWE (WKN A14KAB, A13SHX), wie Gregor Daniel feststellt. „Da fehlt Geld.“ Ein Bond von EnBW (WKN A11P78) sei in Mitleidenschaft geraten. Auch Stopp berichtet von Kursverlusten bei RWE- (WKN A1HR28, A14KAA, A13SHX) und Eon-Anleihen (WKN 857741, A0TURM). „Mangelnde Vorsorge und hohe Kosten für den Atomausstieg fressen die Erträge der Energieversorger auf“, erläutert der Händler. Der Bericht des „Spiegel“, demzufolge den deutschen Energiekonzernen für den Atomausstieg möglicherweise Rückstellungen von bis zu 30 Milliarden Euro für Abriss und Entsorgung ihrer Atomkraftwerke fehlten, habe die Talfahrt beschleunigt.

Megafusion in der Brauereibranche

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Daniel

Federn lassen mussten auch Papiere von Anheuser-Busch Inbev (WKN A1ZFGF), nachdem der weltgrößte Brauereikonzern am Mittwoch Interesse an der Nummer zwei in der Branche, SABMiller, bekundet hatte, wie Brunner berichtet. „Die Kurse haben sich aber etwas erholt und zumindest einen Teil der Verluste wieder wettgemacht.“ Brunner zufolge schalteten Anleger tendenziell in den „Risk-off“-Modus. „ Unternehmensanleihen mit längeren Laufzeiten wurden verkauft.“ Als Beispiel nennt der Händler eine bis 2025 laufende Unternehmensanleihe der Metro (WKN A14J83).

Zugegriffen wird laut Daniel bei Anleihen der HSH Nordbank (WKN 542696, HSH2H1, HSH2H2). „Grund ist, dass es nun doch nach EU-Beihilfen für die Bank aussieht, die Gespräche neigen sich dem Ende zu.“ Bei den Verhandlung zwischen den Eigentümern der HSH Nordbank und der EU geht es um die endgültige Zustimmung der EU zu den Staatsgarantien und einer geplanten Umstrukturierung der Bank. Käufe meldet Daniel außerdem noch bei Anleihen von ThyssenKrupp (WKN A14J57), Merck KGaA (WKN A13R96) und Lufthansa (WKN A12UAP).

Neues von der Commerzbank

Eine Neuemission der Commerzbank stößt auf reges Interesse, wie Daniel berichtet. Die Anleihe (WKN CZ40K0) läuft bis 2022 und bietet einen Kupon von 1,5 Prozent. Beim aktuellen Briefkurs von 98,75 Prozent kommen Anleger sogar auf eine Rendite von 1,69 Prozent.

von Anna-Maria Borse, Deutsche Börse AG
© 18. September 2015